Plötzlich Chef sein (Teil 1)

„Sie haben in vielen Projekten gute Ergebnisse erzielt. Sie helfen den Kollegen und Sie sind bei unseren Kunden sehr angesehen. Kurz und gut, Sie haben gezeigt, dass Sie zu mehr berufen sind. Deshalb freue ich mich Sie zum Projektleiter zu ernennen.“

So oder so ähnlich werden die meisten Software-Entwickler„befördert“, zu Projektleitern oder zu Teamleitern. Und von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr wie vorher. Und was im ersten Augenblick wie eine Anerkennung für gute Arbeit aussieht, entpuppt sich nach einiger Zeit als die Ursache von Magenbeschwerden, Schlafstörungen und gelegentlich sogar dem Scheitern einer Partnerschaft.

Doch was genau ist jetzt anders? Ein paar Beispiele:

  • Die bisherigen Kollegen müssen Aufgaben erhalten und die Ergebnisse kontrolliert werden. Das schafft Konfliktpotenzial zwischen Menschen, die bisher gleichberechtigt waren.
  • Das Unternehmen erwartet nun nicht mehr die Erledigung von Aufgaben, sondern das Erreichen eines Ergebnisses. Das verlangt Kreativität und nicht mehr nur Können.
  • Die Mitarbeiter erwarten, dass wir ihnen sagen, wo es lang geht. Dazu müssen wir es selber wissen, also weiter denken als bisher.
  • Das Unternehmen erwartet Termin- und Budgettreue. Dazu sind wir plötzlich auf das Wollen unseres Teams angewiesen. Das müssen wir uns erst verdienen.
  • Die Qualitätsabteilung verlangt die Einhaltung aller Standards und Richtlinien. (Kennen Sie die?)
  • Der Kunde erwartet, dass seine Wünsche und Anforderung präzise und zuverlässig umgesetzt werden. Dazu müssen wir Ihn verstehen.
  • Der Betriebsrat verlangt die Einhaltung von Arbeitszeitregelungen, während Sie ohnehin schon eine Woche im Verzug sind.

Klingt das nach „Anerkennung für gute Arbeit“?

Warum dürfen Sie sich dennoch über die neue Verantwortung freuen?

In der neuen Rolle tun sich große Gestaltungsspielräume auf. Sie erlaubt das Trainieren und Üben von Problemlösungskompetenz, sie schafft persönliches Wohlbefinden durch höhere Anerkennung der Erfolge, sie gibt Entscheidungsspielräume und sie macht Sie freier von Anweisungen, die Sie ausführen „müssen“.

Beim Führen geht es nicht um das mechanische Abfahren von Methoden oder Techniken. Führen verlangt von Ihnen in erster Linie Ihre Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Sie haben es mit Menschen zu tun, nicht mehr mit Compilern, Laufzeitbibliotheken und Datenbanken. Egal, ob es um Team, Kunde, Management, Betriebsrat oder Qualitätsmanager geht, ab sofort werden sie ihre Projektziele nur erreichen, wenn Sie ihnen wertschätzend und gleichzeitig entschlossen, rücksichtsvoll und gleichzeitig klar, respektvoll und gleichzeitig entschieden begegnen. Denn ab sofort hängt Ihr Erfolg nicht mehr nur an Ihrem Können, sondern am Wollen dieser Menschen.

Führung verlangt somit die Harmonisierung von Menschen- und Zielorientierung. Dies ist kein Widerspruch, beide Elemente verstärken sich wechselseitig. Zielorientierung heißt, wir setzen uns dafür ein, dass wir konkrete Resultate unter vereinbarten Randbedingungen erreichen. Menschenorientierung heißt, wir sorgen dafür, dass unsere Mitarbeiter sich angenommen und wertgeschätzt fühlen und mit Freude bei der Sache sind.

Menschenorientierung sichert Zielorientierung

In vielen Tests und Publikationen tauchen diese beiden Begriffe als komplementäre Achsen eines Koordinatensystems auf. Der „perfekte“ Projektleiter ist dann der, der sich auf der Hauptdiagonalen aufhält. Dieses Modell insinuiert den Eindruck von Gleichwertigkeit der beiden Achsen. Doch das stimmt nicht! Die Achsen sind nicht gleichwertig.  Ich halte ein flammendes Plädoyer für den Primat der Menschenorientierung. Sie erreichen Ihre Ziele nicht mehr allein, Sie sind angewiesen auf das Engagement und die Motivation Ihres Teams. Alle Zielorientierung bringt Sie nicht zum Erfolg, wenn Sie die Menschen nicht mitnehmen. Auf der anderen Seite wird sich Ihr Team die Beine für Sie ausreißen, wenn es respektvoll und wertschätzend behandelt wird.

Im Dezember setzen wir hier wieder auf. Wir befassen uns dann mit den fünf wichtigsten Eigenschaften eines Projektleiters. Das, was Sie am dringendsten brauchen, wenn Sie sicher ins Ziel kommen wollen. Es geht dabei um

·      Respekt

·      Sensibilität

·      Empathie

·      Hartnäckigkeit

·      Erfolgswille

Bis dahin sind wir mit Antworten und Tipps gern für Sie da. Wenn Sie also Fragen zum Start in die Führungsverantwortung haben, sprechen Sie uns an. Wir freuen uns auf Sie und helfen gern.

Herzliche Grüße

Ihr

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